Antrag der CDU-Fraktion auf Erarbeitung einer Wasserstoffstrategie

Aug 31, 2023

Die CDU-Fraktion bittet darum, nachfolgenden Antrag den zuständigen Gremien zur Entscheidung vorzulegen.

Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Nettetal beantragt, wie folgt zu entscheiden:

  1. Die Stadt Nettetal wird strukturell zu einem Wirtschaftsstandort für grünen Wasserstoff, möglichst mit eigener Wasserstoffproduktionsstätte, aufgebaut. Ziel soll es sein, Nettetal so als nachhaltigen und attraktiven Wirtschaftsstandort am Puls der Zeit auszubauen, zu festigen und energetisch von einer Energieversorgung von außen unabhängig zu machen (Projektidee #Nettetal Autark).
  2. Zur Klärung der Realisierbarkeit und Zielsetzung der Projektidee #Nettetal Autark soll die Stadtverwaltung Nettetal in Ergänzung der bereits beschlossenen kommunalen Wärmeplanung und unter Einbindung der Stadtwerke Nettetal GmbH eine Machbarkeitsstudie über die Fraunhofer Gesellschaft einholen, welche spätestens innerhalb eines halben Jahres nach Beauftragung zu den Fragen (Begründung zu 2.) Stellung nimmt.
  3. Im Falle des positiven Ergebnisses der Machbarkeitsstudie:
    Zum Zwecke der zügigen Umsetzung des Projektes soll umgehend eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke Nettetal GmbH gegründet und korrespondierend mit den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie mit Personal- und Sachmitteln ausgestattet werden. Nötigenfalls ist der Aufbau wiederum durch die Expertise der Fraunhofer Gesellschaft zu begleiten (Mentoring). Zweck der Tochtergesellschaft ist der Aufbau einer eigenen Versorgungs- (Betrieb eines Elektrolyseurs, der durch Nettetaler Wind- und Sonnenenergie gespeist wird sowie Schaffung geeigneter energetischer Speicherkapazitäten vor Ort) und Vertriebsstruktur für grünen Wasserstoff (Ausbau der vorhandenen Netzstruktur, Anschluss an neu in NRW geschaffene Leitungsnetze) bei gleichzeitiger Bildung eines geeigneten Konsortiums zur Erreichung dieses Unternehmenszwecks.Über Entwicklung, Tätigkeit und erfolgreiche Meilensteine der Gesellschaft wird im Hinblick auf die Klimaneutralität 2040 auch dem Rat der Stadt Nettetal in seinen Sitzungen regelmäßig durch die Geschäftsführung zu berichten sein (Dauertagesordnungspunkt).
  4. Im Rahmen einer Leitentscheidung ist gegenüber der Stadtwerke Nettetal GmbH die Erwartung zu äußern, dass das vorhandene städtische Gasnetz dauerhaft für den Zweck zu 3. erhalten und für die Aufnahme von Wasserstoff ertüchtigt wird. Für die Erschließung von Neubaugebieten wird das Gasnetz entsprechend erweitert und den Grundstückseigentümern für deren Wärmeversorgung ein Anschluss an das (künftige) Wasserstoffnetz angeboten.

Begründung:
Am 11. August 2021 haben die CDU, Bündnis90/ Die Grünen, SPD, WIN und FDP Fraktionen im Rat der Stadt Nettetal einen gemeinsamen Antrag für eine Klimaschutzoffensive eingebracht und in Folge deren Umsetzung beschlossen. Ziel soll ein klimaneutrales Nettetal in 2040 sein. Weiterhin existiert aus Mai 2015 ein integriertes Klimaschutzkonzept (IKSK) und September 2018 ein Klimaschutzteilkonzept Eigene Liegenschaften (TKEL). Das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen heißt zwangsläufig, sich unabhängig von fossilen Brennstoffen zu organisieren.

Die Bedeutung von Wasserstoff als sauberem und vielseitig einsetzbarem Energieträger hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen, sie nimmt stetig weiter an Fahrt auf. Grüner Wasserstoff als Produkt aus Wasser sowie nachhaltiger Wind- und Sonnenenergie gilt als zukunftsweisende Schlüsseltechnologie. Wasserstoff als umweltfreundlicher Energieträger, dessen Nutzung keine CO2 Emissionen verursacht, kann gleichwohl als Speichermedium für erneuerbare Energien dienen und somit auch helfen, Schwankungen in der Energieerzeugung auszugleichen. Nettetal könnte sich die Chance bieten, seine Energieversorgung sauber, zukunftssicher und unabhängig zu organisieren. Im Falle einer erfolgreichen Realisierung eines solchen Vorhabens hätte Nettetal die Chance, bestenfalls energieautark zu werden. Eine Bedarfsabhängigkeit von Großunternehmen, auf deren Preispolitik vor Ort kein Einfluss genommen werden kann, würde hierdurch verhindert.

Zu 1.
Vor dem Hintergrund der Nettetaler Klimaschutzoffensive wird mit der Projektidee #Nettetal Autark für Nettetal zuvorderst die Vision einer unabhängigen Stadt mit autarker Wärme- und Stromversorgung beschrieben. Ebenso skizziert #Nettetal Autark richtungsweisend das Nettetaler Stadtgebiet als zukunftsfähige Stadt und Heimat sauberer, nachhaltiger Schlüsseltechnologien. #Nettetal Autark soll damit auch Anstoß für Unternehmen sein, die den in Nettetal produzierten Rohstoff benötigen oder solche, die innerhalb der Versorgungskette Wasserstoff eigene Produkt- und Dienstleistungen (Hardware, Software, Produktions- und Handwerksleistungen u.v.m.) erbringen. Dies birgt für Nettetal eine Chance für die Erschließung neuer Arbeitsmärkte und auf Dauer zusätzlicher Arbeitsplätze. Der Wasserstoffmarkt wächst zusehends, sowohl national als auch international. Der geplante Ausbau einer flächendeckenden Wasserstoffinfrastruktur kann insbesondere in Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden beobachtet werden. Ebenso befinden sich potenzielle Investoren auf der Suche nach geeigneten Standorten. Der Zeitpunkt für eine Akquise potenzieller Investoren ist daher günstig. Auch fördern Bund und EU besagte Wasserstoffprojektierungen in erheblichem Umfange.

Zu 2.
Mit dem Antrag zu 2. soll im Rahmen einer zu beauftragenden Machbarkeitsstudie der Frage auf den Grund gegangen werden, ob der Standort Nettetal mit seiner strategisch-geographischen Lage und der vorhandenen Strom- und Gasnetzstruktur das Potenzial besitzt, in Zukunft eine regionale Wasserstoffwirtschaft mit wirtschaftlich überregionaler Bedeutung aufzubauen und insoweit eine neue Rolle für sich selbst, aber auch die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu spielen.

Die Frage der Machbarkeit eines solch ehrgeizigen Projektes kann indes nicht aus der Stadtverwaltung allein heraus beantwortet werden. Hierzu ist eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben, und zwar gestützt durch die bestmögliche Expertise auf diesem Gebiet. Die Fraunhofer Gesellschaft bietet mit ihren vielfältigen Betätigungen weltweit genau diese Erfahrung und gleichfalls die hierfür nötigen Kapazitäten. Nur im Rahmen einer solchen Machbarkeitsstudie werden die mannigfaltigen mit der Planung und etwaigen Umsetzung einer solchen Projektes bestehenden Fragestellungen beantwortet werden können.

  • Die Machbarkeitsstudie soll konkret zu folgenden Fragen Stellung nehmen:Eignet sich Nettetal überhaupt als Standort für den Betrieb einer eigenen Infrastruktur für die Produktion und den Vertrieb grünen Wasserstoffs?
  • Welche Dimensionen und Investitionen sind für einen Infrastrukturausbau (Erzeugung erneuerbarer Energien, Aufbau Produktionsstätte, Speicher- und Transportkapazitäten) einer eigenen Wasserstoffproduktions- und Speicherstätte (im Folgenden Anlage) mindestens kurzfristig, im Ausbau mittel- und langfristig einzuplanen (Anschlusszwang der Nettetaler Haushalte mit Gasheizung über das vorhandene Gasnetz vorausgesetzt), um eine solche Anlage wirtschaftlich betreiben zu können?
  • Welche ressourcenmäßigen Anforderungen (Wasser- und Stromlieferung) hat eine solche Anlage und welchen produktiven Output liefert sie?
  • Welche Potentiale erneuerbarer Energien lassen sich in Nettetal mittels Wind- und Sonnenenergie heben und welcher Anteil davon kann maximal zur Wasserstoffproduktion genutzt werden?
  • Welche rechtlichen Fragestellungen zur Identifizierung geeigneter Flächen und zum Betrieb einer solchen Anlage auf dem Stadtgebiet Nettetal wären zu klären?
  • Welche staatlichen Fördermöglichkeiten (Deutschland, EU) kommen für ein solches Projekt in Frage?
  • Wer sind in strategischer Hinsicht (KnowHow) und mit Blick auf mögliche Förderungen die für eine solche Umsetzung geeigneten und unter Umständen zwingend erforderlichen Kooperationspartner der Stadtwerke Nettetal GmbH; welche Unternehmensmodelle sind für die Prüfung und Umsetzung eines solchen Projektes sinnvoll (Joint Venture)?
  • Welche Nutzungs- und Vermarktungsmöglichkeiten des so produzierten Wasserstoffs hat Nettetal mit Blick auf seine geografische Lage und Versorgungsnetzstruktur? Könnte sich Nettetal zum Export des in Nettetal produzierten Wasserstoffs über die eigenen Bedarfe hinaus oder Import des in Nettetal unter Umständen doch noch benötigten Wasserstoffs an eine bestehende oder für den Wasserstofftransport im Aufbau befindliche Netzstruktur (bspw. Project Delta Rhine Corridor) anschließen?
  • Können finanzielle Beteiligungen von Bürgern an dem Projekt vorgesehen werden?
  • Wie sieht ein realistischer Umsetzungshorizont einer solchen Projektierung in zeitlicher Hinsicht aus?

Zu 3.
Sofern die Machbarkeitsstudie der Stadt Nettetal positive Aussichten für das Vorhaben bestätigt, muss sodann schnellstmöglich an der Umsetzung der Projektidee #Nettetal Autark gearbeitet werden. Die Federführung der unternehmerischen Umsetzung der Projektidee liegt, der Natur der Sache geschuldet, bei der Stadtwerke Nettetal GmbH. Diese soll sodann, orientiert anhand der Machbarkeitsstudie und nötigenfalls angeleitet durch die Fraunhofer Gesellschaft, die nötigen Schritte zum Aufbau und zur Bildung einer etwaigen Kooperationsstruktur unternehmen.

Über die Fortschritte des Unternehmens bei der Aufgabenstellung soll durch die Geschäftsführung auch der Rat der Stadt Nettetal in seinen Sitzungen informiert werden.

Zu 4.
Die Förderung Nettetal als Wasserstoffstandort muss einhergehen mit der Stärkung, Instandhaltung und auch Erweiterung des städtischen Gasnetzes. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es in Zukunft möglich sein, Gasheizungen mit Wasserstoff, zumindest jedoch mit Wasserstoffbeimengungen zu betreiben. Nur so würden viele Bürgerinnen und Bürger die Versorgung ihrer Häuser und Wohnungen mit Heizenergie sicherstellen können. Die Konzentration auf Solar- und Windenergie bei gleichzeitiger Abschaffung bzw. Stilllegung des Gasnetzes würde die Bürgerinnen und Bürger dagegen in absehbarer Zeit vor unüberwindbare Probleme stellen, wenn sie zur Erfüllung energiepolitische Auflagen zur Dämmung ihrer zum großen Teil älteren Immobilien verpflichtet würden, hierzu jedoch ausreichende finanzielle Mittel nicht zur Verfügung stünden. Die in der Förderung der Wasserstofftechnologie und Ansiedlung eines Elektrolyseurs zum Ausdruck kommende Technologieoffenheit wäre daher auch ein großer Beitrag zur Bürgerfreundlichkeit.

Um in Betracht kommende Förderprogramme zu nutzen, sollte im Falle der Befürwortung des Projektes eine zeitnahe Entscheidung herbeigeführt werden. Insoweit wird die Anberaumung einer Sondersitzung zumindest des HFA angeregt.

 

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Boyxen
(Fraktionsvorsitzender)

 

Vollständiger Antrag als PDF-Dokument

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